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Hieroglyphenmützen?
Dr. Lola Shamukhitdinova, Wissenschaftlerin des Textilen, präsentiert bei Kultur im Norden – KUNO e.V. eine Auswahl aus ihrer Sammlung zentralasiatischer Kappen und Mützen.
Duppis, so unproblematisch modern nennen sich diese Kopfbedeckungen in der usbekischen Heimat der Sammlerin.
Der immer spürbarer platzgreifende Ethno-Trend auf den internationalen Fashion Weeks wäre eigentlich gar kein schlechter Ausgangspunkt für diese Ausstellung.
Denn er ist ja eine so wichtige Inspirationsquelle für den Look vieler Modehäuser, für Accessoires wie Schmuck, Schuhe und Taschen. Und dann auch ganz grundsätzlich als moderne Interpretation volkstümlicher Bekleidung aus Afrika, Asien und Südamerika. Und natürlich: unter besonderer Beachtung traditioneller Techniken, Muster und Materialien sowie einer qualitativ hochstehenden Handwerkskunst.
Das verleiht dem große Faszination, bleibt aber oft nur an glitzernder Oberfläche mit dem Auge auf gut betuchte Kundinnen.
Andererseits stellen sich bei der Beschäftigung mit regionalen Bräuchen und Trachten gern Vorurteile und Klischees ein, spontane Assoziationen von Heimatidylle, ländlicher Nostalgie oder im schlimmsten Fall – und historisch ja nicht zu Unrecht – bis hin zu Blut und Boden.
Alles Bremsklötze für eine vorurteilsfreie Auseinandersetzung mit traditionellen regionalen wie überregionalen Formen von Bekleidung, die ja ein fester Bestandteil des weltweiten materiellen Kulturerbes sind.
KUNOweb geht es dagegen mit dieser Ausstellung darum, am Beispiel der Duppis den Begriff der Tracht in seiner ursprünglichen Bedeutung wiederaufzunehmen, nämlich als: Kleidung.
Und dann: zusammen mit dem Publikum ganz konkret an einer Mütze, einer Kappe, einem Duppi plastisch erfahrbar werden zu lassen, wie Kunst und Kunsthandwerk, Trachten und Mode, Vergangenheit und Moderne miteinander verflochten sind. Und Kulturen und Zivilisationen in Europa und Asien in ihrer Verschiedenheit vergleichbar werden.
Dabei sollen auch die Erläuterungen von Lola Shamukhitdinova zu den einzelnen Stücken ihrer Sammlung dienen.
Diese Auswahl gibt mit ihrer Vielfalt der Farben und Formen, der Strukturen und Muster einen Einblick in eine andere, uns fremde Kultur, die nicht nur, aber hauptsächlich in Ländern Zentralasiens beheimatet ist.
Auf der anderen Seite, so fremd erscheinen dann die Motive aus Pflanzen- und Tierwelt auf diesen Duppis doch wieder nicht. Denn so etwas findet sich in regionalen Kunsthandwerken so ziemlich überall auf der Welt – meint man zu wissen als umtriebiger Tourist und damit wäre das Phänomen schnell unter ´Mitbringsel für daheim´ abgehakt.
Am Anfang geht immer eine merkwürdige Anziehungskraft aus vom Fremdländischen, auch von den Duppis. Denn man ahnt diffus hinter einem vermeintlich längst bekannten, recht naiven Formen- und Farbenkanon eine Überraschung, so als warte da etwas Fremdes, Unergründliches, eine doch letztlich rätselhafte Zeichensprache.
Und so nähern sich viele Duppis dem, was Heinrich Heine „Hieroglyphenmützen“ nannte. Doch des Dichters Neologismus meint in unserem Falle nichts Philosophisches.
Diese Figurenwelt auf den usbekischen Kappen verweist vielmehr auf den Formenreichtum der Natur, auf Gegenstände aus Haushalt und Berufswelt.
Was auf den Stoffen abgebildet ist, dem wohnt natürlich häufig eine mythologische Symbolik inne, die archetypische Bedürfnisse nach Schutz vor Unheil oder Erklärung von Schöpfung beschwört. Auf jeden Fall aber, so unterstreicht Dr. Shamukhitdinova,
„änderte sich mit der Zeit die Bedeutung ein- und desselben Musters sehr oft. Daher ist die Frage der Semantik nicht eindeutig, also offen und regt zu zahlreichen Hypothesen an.“
Ein gefundenes Fressen für die Interpretationsfreudigkeit von Wissenschaft und Forschung. Vielleicht aber ist auch das Wirken der Phantasie der Kunsthandwerkerinnen bei der jahrhundertealten Fertigung von Duppis daran nicht ganz unschuldig.
So dass sich dann Handwerkliches und Künstlerisches verbinden und im günstigsten Falle Unikate, also Autorenprodukte, entstehen.
Lola Shamukhitdinova meint dazu, dass Ende des 19. Jahrhunderts die wirtschaftliche Entwicklung dazu geführt habe,
„dass die Duppis, früher von der und für die Familie angefertigt, nun auch für den Verkauf und auf Bestellung hergestellt wurden. Und es entstand der Berufszweig der Duppi-Näherinnen, die sich natürlich die Erfahrungen und die handwerklichen wie künstlerischen Kenntnisse vorheriger Generationen zunutze machen konnten. Die Duppis sind also Produkte angewandter Kunst, wobei besonders heutzutage die ästhetische Seite betont wird, so dass das künstlerische Niveau beträchtlich sein kann. Nun ja, nicht in jedem Fall.“
Die Duppis – das Wort klingt so modern, schrieb ich anfangs, klingt so anglophon, international und eigentlich ganz und gar nicht nach Heinescher Hieroglyphenmütze. Andere Wörter dafür vielleicht schon eher: Tjubetejka, Kallapusch oder Kalpoq.
Paul Kroker, Juni 2016
Die Sammlerin
DUPPIS - Tradition und Alltag
Stoffe, Mützen und Mode heute - auf dem Laufsteg
Kollektion der usbekischen Modeschöpferin LALI
Veröffentlichungen von Dr. Lola Shamukhitdinova
Zur Lektüre der beiden Essays "Ornamental layout of Central Asian ikats" und "Ikat in all its manifestations: a new wave of popularity" hier klicken
Hier klicken
Mehr zu den Duppis unter: WelcomeUzbekistan.uz
Presse/Medien
10.09.2016
21.06.2016
Klatt Larissa (Montag, 19 September 2016 10:39)
Oh danke für diesen Beitrag!:) Ich möchte jetzt auch unbedingt hin!!
Liebe Grüße Larissa
ulfat-1963@mail.ru (Mittwoch, 14 September 2016 14:41)
very beautiful
pleasant that our folklore interest so far in Germany
Gulnara (Sonntag, 04 September 2016 14:03)
Lola, thank уou very much for interesting and colorful story about duppis.Your work helps to understand the nature and specific regional of Central Asia, traditions and culture and each duppi has own history.
svetaduhm (Freitag, 02 September 2016 22:12)
Interessante Ausstellung! Vor allem, da dies ein Thema ist, welches sehr neu ist , aber dennoch mit der Geschichte verbunden. Man verschafft sich einen Einblick in die Geschichte der
traditionellen Kultursymbolen und kann sehr viel über die Kultur Zentralasiens herausfinden. Danke and die Autorin!
Zafa Salikh (Freitag, 02 September 2016 22:05)
Ich halte solche Ausstellungen wie diese für sehr aufschlussreich für Menschen, die sich für Kunst interessieren. Man erfährt über das Kulturerbe, die Geschichte und über nationale Traditionen der Völker.
Sehr gelungene Ausstellung, herzlichen dank!
Peter Duhm (Freitag, 19 August 2016 21:33)
Mit großem Interesse habe ich mir die Sammlung der Zentralasiatischen Kopfbedeckungen angesehen. Bein meinen weiteren Recherchen basierend auf der vorliegenden Sammlung musste ich feststellen, dass wenig oder fast nichts über der zentralasiatischen historischen Bekleidungen und deren Bedeutung bekannt sind. Umso erfreulicher ist es, dass sich die Wissenschaftlerin Dr. Lola Shamukhitdinova sich mit diesem Thema beschäftigt hat. Noch erfreuliche wäre es, wenn sie im norddeutschen Raum, z.B. in einem Museum oder an einer Hochschule ihre Forschungen fortsetzen könnte.
Dila Webber (Donnerstag, 04 August 2016 17:56)
Was für eine schöne Sammlung! Alle Exponate sind originell und schön gestaltete. Es ist eine seltene Gelegenheit, in Deutschland usbekischen original Kunsthandwerk aus den fernen Ländern, Länder zu sehen, die Erinnerungen an die legendäre Seidenstraße bringen.
Lev Chif (Samstag, 30 Juli 2016 14:27)
I am very impressed!
Never seen such a collection of duppies in one place!
I was born in Uzbekistan and this virtual show gave me an impression I am back to my motherland!
Thanks dear Lola!
Francine (Donnerstag, 07 Juli 2016 06:09)
Thank you for this very interesting and discerning exhibition.
It takes you beyond sight, to detect at one time with the eyes and beyond.