Mutterland, Kiew (2023)
Mutterland, Kiew (2023)
Gemälde von Nazanin Pouyandeh
Gemälde von Nazanin Pouyandeh

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"Steine können tanzen" 

 

 

Raumskizzen

 

 

"Ich beschäftige mich seit einigen Jahren mit Skulpturen aus zusammengefügten Pflastersteinen. Mich interessiert die physikalische Beschaffenheit des Materials – Masse, Statik, Dichte – in Bezug zur Fragilität und Dynamik der entstehenden Gebilde. Ich verstehe diese Skulpturen als dreidimensionale Skizzen im Raum, mit der Wirkung eines Standbildes von Bewegung."

 

Bewegungen

 

14.06.2020, 08:53
14.06.2020, 08:53

"Wenn Steine tanzen könnten,
würden sie ihre Gewichtigkeit verlieren,
ihre Kristalle einmal Luft holen,
davon träumen, sich im Schwung unterfassen,
Kreisbahnen umeinander legen wie im Weltenraum.“

"Mein Hauptbestreben ist, Steinen ihre Schwere zu nehmen, sie vom Boden zu lösen, sie abheben, gleichsam tanzen zu lassen."

 

Im öffentlichen Raum

 

 

Zur Technik der Pflastersteinarbeiten

 

"Die Pflastersteine werden mittig durchbohrt und auf Gewindestangen aufgefädelt. Anschließend werden sie mit Hilfe von Schraubenmuttern so unter Spannung gesetzt, dass die einzelnen Steine kraftschlüssig aufeinander liegen. Die Gewindestangen können mit Verbindungsmuttern beliebig verlängert werden. Durch diskrete Interventionen und leichte Verdrehungen der konisch geformten Steine kann ich die Pflastersteinstränge relativ zielgenau in verschiedene Richtungen bewegen und durch Kreuzungen und parallele Berührungen eine Statik erzeugen.

Mit dieser Arbeitsweise bin ich in der Lage, auf unterschiedliche Räume oder Landschaften formal sowie inhaltlich zu reagieren und der phantastischen Vorstellung Raum zu geben, dass sich hier ein Stück Pflasterung selbständig macht." 

 

Stühle

 

https://martina-benz.com/  info@martina-benz.com
https://martina-benz.com/ info@martina-benz.com

 

"Ganz fraglos lässt sich auf einem Stuhl dauerhaft ausruhen, Frieden finden, lässt sich dösen, nachdenken, träumen, was alles im Stehen nicht gut möglich ist – und eben das macht die Aufenthaltsqualität aus, die jeder Stuhl garantiert mit sich bringt. Elias Canetti hat in seinem Buch, „Masse und Macht“, eine Abhandlung über das Sitzen geschrieben.

Dort heißt es: „Die Würde des Sitzens ist ganz besonders in seiner Dauer enthalten. Während man vom Stehenden vielerlei erwartet und die Vielfalt seiner Möglichkeiten zum Respekt vor ihm, vor seiner Regsamkeit und Lebendigkeit, ein Reichliches beiträgt, erwartet man vom Sitzenden, dass er sitzen bleibt. Der Druck, den er ausübt, befestigt sein Ansehen, und je länger er ihn ausübt, um so sicherer scheint er.“
Der Stuhl formt die Haltung des Sitzenden."

 

 

Holzobjekte

 

 

 

Küchenspektakel

"In Anlehnung an meine Arbeitsweise mit den Pflastersteinen sind neuere Arbeiten aus Holz entstanden, die ins Heiter-komische führen und erzählerisch stark aufgeladen sind. Es handelt sich um Gebrauchsgegenstände die durch Zersägen und neu Zusammenfügen zu zweckfreien ästhetischen Gebilden werden und Phantasien freisetzen."

 

 

 

 

Es ist so wunderbar, ästhetischen Produktionen und Produkten beizuwohnen, wenn darin so deutlich vereint erkennbar werden genialische Kopf- und Handarbeit wie bei der skulpturalen Tätigkeit, im Kompositum Bildhauerei so plastisch wahrnehmbar.

Besondere Freude macht uns dabei, dass für KUNOs Skulpturen-Monat, der wie alle Ausstellungen eigentlich open endet, eine Bildhauerin aus Bremen unserer Einladung gefolgt ist. Und nicht nur, weil so die dominante Männer-Phalanx in dieser Sektion der Künste -  auch bei uns - durchbrochen wird. Sondern vor allem, weil Martina Benz im wahrsten Sinn eine skulpturale Kunstarbeiterin an Stein und Holz ist. Sie verleiht ihren Bildwerken - ob sie ruhend nun rollen, fliegen, tanzen, sich drinnen wie draußen auftürmen und dem Raum ihren Stempel aufdrücken - so nachdrücklich Ausdruck und Sprache, dass die Künstlerin selbst nur noch die nötigsten Worte braucht, um ihre Arbeit zu beschreiben in ihrer Dimension als Vision und Intuition, als Findung von Gestaltung, von Material und Materialien.

Die deutlichste Abwendung von ihren Steinskulpturen in ihrem meist abstrakten Gestaltungsmodus, nur mitunter durch die Betitelung "vergegenständlicht", lässt sich zunächst bei den Objekten Stuhl im Außen- wie Innenbereich festmachen, wobei die Realisierungen zumeist den Gedanken an alltäglichen Gebrauch ins Absurde treiben.

Oft sind sie viel zu groß, aber nicht ganz so wie bei Claes Oldenburgs Pop-Art-Monumentalismen, oder eben das gerade Gegenteil davon und so verformt selbst für Kleinste, dass sich die Frage stellt, wie hier die Aussage der Künstlerin interpretieren, dass ein Stuhl die "Haltung der Sitzenden" forme. Was nach Bert Brecht seine volle Berechtigung hat und von G. B. Shaw fast euphorisiert wird: "Glück ist ein Stuhl".

Und schließlich geht´s ab ins surreal Spielerische: Während des pandemischen Lockdowns nimmt sich Martina Benz verschiedener Haushaltsgeräte an und führt ein wahres "Küchenspektakel" auf. 

Auch bei einer großartigen Künstlerin nix mit der den Deutschen zugesprochenen Redensart: "Spaß beiseite, Ernst komm her". Früher vielleicht mal, aber heute?! angesichts der romantischen Möglichkeiten des Spiels und der der späteren Verfremdungen.