Mutterland, Kiew (2023)
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Gemälde von Nazanin Pouyandeh
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HAZARs BLOG

 

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"Entropa"

Und weitere Arbeiten des Künstlers auf der NordArt hier:

 

 

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Karikaturen von Haugrund in Bremen

 

 

Der Künstler Jochen Schaudig, genannt Haugrund, kommt aus Mainz nach Bremen, um im Schnoor seine originellen Zeichnungen auszustellen. Am 31. August wurde die Ausstellung des Künstlers im Künstlerhaus Ausspann eröffnet. Die Cartoons sind in diesem tollen Café und Künstlerhaus bis Ende September zu sehen. Der in Mainz geborene Cartoonist arbeitet mit Aquarellen und nicht mit digitalen Techniken. Das ist ein besonderer Grund, der seine Werke vielleicht noch einen Tick wertvoller und origineller macht. Er meint übrigens, dass der künstlerische Aspekt bei Karikaturen genauso wichtig ist wie Inhalt und Witz

 

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Fotostrecke zum Woziko, 3.9.17

 

 

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Über den Schriftsteller Dogan Akhanli und seine Romane

 

Der in Deutschland lebende türkische Schriftsteller Doğan Akhanli wurde kürzlich wieder in Haft genommen. Dieses Mal in Spanien und auf Antrag von der türkischen Regierung. So ist der Schriftsteller Akhanli wieder in den türkischen und internationalen Medien erschienen.

 

Ich möchte dies zum Anlass nehmen, hier über Akhanli und sein literarisches Werk zu sprechen. Natürlich hat das, was ihm politisch widerfuhr, seine Literatur geprägt. 

Doğan Akhanlı wurde 1957 in einem kleinen Dorf in der osttürkischen Provinz Artvin am Schwarzen Meer geboren. Mit zwölf Jahren kam er nach Istanbul.

Der Schriftsteller hat früh Erfahrungen mit politischer Verfolgung gemacht. Weil er 1975 an einem Kiosk eine linke Zeitung gekauft hatte, saß Akhanlı erstmals fünf Monate in Istanbul in Untersuchungshaft. Später, von 1985 bis 1987, war er dann in einem Istanbuler Militärgefängnis inhaftiert. In dieser Zeit sei er auch gefoltert worden, berichtete Akhanli später.

1991 ließ er sich mit seiner Familie in Deutschland nieder wegen seiner "problematischen Beziehungen" zur türkischen Regierung. Seit 1995 lebt Akhanli als Schriftsteller in Köln. Er ist Mitglied in der internationalen Schriftstellervereinigung PEN.

Als Dogan Akhanli im 2010 seinen im Sterben liegenden Vater besuchen wollte, wurde er bei der Einreise in die Türkei festgenommen. Der Vorwurf war, dass er Mitglied einer Terrororganisation sei. Vier Monate lang im Gefängnis habe er sich wie Josef K. in Kafkas Prozess gefühlt, sagte Akhanli danach in Interviews. Ohne jeglichen Nachweis der Beschuldigung saß er damals in Haft. In der Zeit seines Gefängnisaufenthalts verstarb sein Vater.

Dogan Akhanli sieht sich als Zeitzeuge, der sehr viel beobachtet, viel gesehen und gehört hat. Das Unrecht, das er erlebte, ist in der Türkei immer noch präsent.

 

 

Vor einiger Zeit hatte ich die Möglichkeit, seinen Roman „Madonna'nın Son Hayali“ (Der letzte Traum der Madonna) auf Türkisch zu lesen. Dieser Roman wurde bisher noch nicht auf Deutsch veröffentlicht. Das wünscht sich der Autor aber sehr, wie er in einem Interview bestätigte.

Zu dem Roman: Zunächst verweist "Der letzte Traum der Madonna" auf einen sehr prominenten Roman der türkischen Literatur, nämlich auf „Die Madonna im Pelzmantel“ von Sabahattin Ali. Dieses Buch ist sehr empfehlenswert, wenn man die moderne türkische Literatur lesen möchte, aber nicht genau weiß, womit anfangen.

In diesem Roman sieht Raif, der in Deutschland lebende männliche Protagonist, ein hinreißendes Selbstporträt einer Frau. Dann begegnet er ihr, der mutigen Malerin Maria Puder. Eine bezaubernde deutsch-türkische Liebesgeschichte und eine Ode an das Berlin der wilden Zwanziger mit wahrscheinlich autobiografischen Hintergrund.

 

Leseprobe: http://book2look.com/book/ToM3Y33fb1&euid=82115718&ruid=82115619

 

 

Der Roman von Dogan Akhanli, "Der letzte Traum der Madonna", verfolgt eben diese Spuren der romantischen Beziehung zwischen Raif und Maria Puder und verbindet das intelligent damit, was der Protagonistin in ihrem weiteren Leben widerfahren ist. So zum Beispiel die tragische Geschichte der "Struma", eines Schiffes mit über 700 jüdischen Flüchtlingen, das 1942 im Schwarzen Meer versenkt wurde.

 

Das Buch wurde von der türkischen Literaturkritik zu den besten zehn Romanen des Jahres 2005 gerechnet.

 

 

Ich bin ein großer Fan von Sabahattin Ali. Seine pure Erzähltechnik und seine überzeugende Aufrichtigkeit gefallen mir. Er erzählt vieles mit seiner einfachen Wortwahl.

So hat der Roman von Akhanli auch meine Neugier geweckt. Nach eigener Aussage hat er einen großen Respekt vor Sabahattin Ali. Außerdem kann man behaupten, dass es eine gewisse Affinität zwischen den beiden Schriftstellern gibt wie zum Beispiel ihre gemeinsame literarische Tradition, wobei der Erzählstil von Akhanli eher komplex ist.

Sabahattin Alis Werke gehören zu den Klassikern der literarischen Moderne. Aufgrund seiner sozialkritischen Positionen wurde er Opfer von Zensur und Verfolgung, immer wieder verhaftet, dann aber ohne Anklage wieder freigelassen. Wie Doğan Akhanli heute.

1948 wurde Sabahattin Ali auf der Flucht nach Bulgarien an der Grenze ermordet. Die genauen Umstände seines Todes wurden nie geklärt.

 

Alis tragische Geschichte war Quelle der Inspiration für Akhanli und führte ihn dazu, Macht und Gewalt von Staats- und Regierungsapparat literarisch zu verarbeiten. Schwerpunkt seiner Bücher ist das Gedenken an die Genozide des 20. Jahrhunderts, darunter an die Opfer des Völkermordes an den Armeniern, sowie die Suche nach einem interkulturellen, auf Versöhnung orientierten Dialog. Er kennt genau das Gefühl, sich heimatlos zu fühlen und er beschreibt dies in seinen berührenden Geschichten: die Sehnsuchtsort Heimat.

 

 

Bislang wurden von seinen Büchern nur zwei auf Deutsch publiziert. „Die Richter des Jüngsten Gerichts thematisiert den Völkermord an den Armeniern und die staatliche Unterdrückung und Verfolgung von Anerkennung des Völkermordes in der Republik Türkei. Der Roman folgt Opfern wie Tätern und setzt einen Kontrapunkt gegenüber dem Verschweigen ihrer Geschichten. Der Band bildet den Abschluss einer Trilogie, die sich auch mit den gesellschaftspolitischen Verwerfungen in der Türkei in den Siebziger und Achtziger Jahren befasst. Die ersten beiden Bände sind bislang noch nicht auf Deutsch veröffentlicht.

 

 

„Die Tage ohne Vater“ ist ein Roman, der mit autobiografischen Bezügen spielt.

"Im ausgehenden 20. Jahrhundert flieht der Musiker Mehmet Nazım aus seinem Heimatland ins politische Asyl nach Köln. Die Erinnerungen an seinen Vater, den genialen Mathematiker, und an seine Kindheit begleiten Mehmet Nazım. Dabei werden politischen Kämpfe in der Türkei der 70er Jahre lebendig. Im heutigen Köln lernt Mehmet Nazım Polaris kennen, eine kluge, geheimnisvoll schöne Frau.

Die Liebe zum Vater ist der Schlüssel zu dieser Entdeckungsreise und Polaris Mehmet Nazıms Wegbeleiterin. Ihm eröffnet sich die Welt durch die Musik, mit ihr offenbaren sich die Spuren der Geschichte, seiner eigenen, seines Landes, seiner Liebe, der katastrophischen politischen Ereignisse.

Seinem Vater öffnet die Liebe zu den Zahlen die Tür zum Verständnis der Welt.

 

Mit Mehmet Nazım, Polaris und dem Vater werden Musik, Literatur und Mathematik auf wunderbare Weise versponnen." (von Akhanlis eigener Webseite: http://dogan-akhanli.de/wordpress/?page_id=2775).

 

 

Dogan Akhanli schreibt auf Türkisch, aber er lebt in Deutschland. Das sei eine schwierige Situation, sagt er, denn er sei nicht Teil der deutschen Literatur, sondern der türkischen Literatur. Weil er aber mittlerweile weit von der türkischen Literatur entfernt lebe, werde die fehlende intensive Beziehung zur lebendigen Sprache in der Türkei ein Problem für ihn. Deswegen sehe er sich auf seine Art schon als ein Schriftsteller im Exil, der im deutschsprachigen Raum in einer anderen Sprache schreibt. (Das Interview von Georg Simet: http://www.rheinische-art.de/cms/topics/der-in-koeln-lebende-schriftsteller-und-menschenrechtler-dogan-akhanli.php)

 

 

25.08.2017

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In der ersten Ausgabe des Kulturmagazins „das goethe“, herausgegeben vom Goethe-Institut, das leider nicht in Gänze online zur Verfügung steht, habe ich einen Artikel von Isabella Gerstner gelesen. Sie ist Künstlerin aus Deutschland und war Stipendiatin der Kulturakademie Tarabya in Istanbul. 6 Monate lang konnte sie dort die aktuellen Entwicklungen in Kultur- und Kunstszene erleben. Mit der Dokumentarfilmerin Aslı Özarslan machte sie einen Spaziergang durch die Galerien Istanbuls, was sie in dem Artikel unter der Überschrift zusammenfasst: "Wir bleiben hier und machen weiter."

 

Diesen Galerien haben alle etwas Gemeinsames: nämlich, dass sie nicht aufgeben angesichts der schwierigen Zeiten für die türkischen Kulturschaffenden, dass sie eben „weiter machen“. Die Galerien, die in diesem Geiste arbeiten, heißen Mixer Art, Pilotgalerie, REM Art Space, Zilberman und DEPO.

 

Daneben gibt es auch noch andere und vielleicht noch größere Galerien um den Taksim herum und im Cihangir-Viertel. Zum Beispiel Arter oder Pera - das ist eigentlich ein Museum -, und die Akbankgalerie.

 

Leider stimmt es, dass für Touristen und sogar für die Einheimischen diese Gegend ihren Reiz immer mehr zu verlieren droht. Trotzdem und gerade deshalb versuchen diese Galerien immer wieder, junge Künstlerinnen und Künstler zu motivieren, und bieten ihnen eine Plattform, wo sie sich künstlerisch und intellektuell ohne Furcht äußern können. Besonders in einer Lage, wo viele angesehene Kunstveranstaltungen wie die Biennale von Çanakkale aus politischen Gründen abgesagt werden müssen.

Wie schrieb Bertolt Brecht vor fast genau 80 Jahren? „Was sind das für Zeiten, wo/ Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist/ Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!“ („An die Nachgeborenen“).

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Die Ausstellungseröffnung Rana Matloub: Heimat|en

 

30. Juli - 08. Oktober in Syker Vorwerk - Zentrum für Zeitgenössische Kunst

 

 

 

Am 30. Juli wurde die Ausstellung „Heimat|enˮ der Künstlerin Rana Matloub in Syker Vorwerk - Zentrum für Zeitgenössische Kunst eröffnet. Ich war auch dabei für Kultur im Norden - KUNO e.V.

 

Nach den Worten der Kuratorin Nicole Giese spürt das Syker Vorwerk mit dieser Einzelausstellung der deutsch-irakischen Künstlerin der Frage nach kultureller Identität nach. Rana Matloub, die in Bagdad geboren ist und seit 27 Jahren in Deutschland lebt, widmet sich in ihrem künstlerischen Schaffen dem kulturellen Dazwischen, das sie mit ihrer eigenen Biographie selbst erlebt. Die Absolventin der Bildenden Kunst an der Kunsthochschule Kassel und Meisterschülerin von Norbert Radermacher versteht sich als deutsche Künstlerin und wird doch oft vor allem auf ihre irakische Herkunft angesprochen.

 

„Ich lebe in Deutschland länger als im Irak und fühle mich eigentlich viel mehr als Deutsche denn als Irakerin.ˮ sagt Rana Matloub, wenn die Frage, was Heimat für sie sei, gestellt wird.  

 

In einem Interview des Deutschlandfunks, das im Internet nachgelesen werden kann, erläutert sie dann näher: „...Meine Arbeiten sind ja eher politisch. Aber manchmal, besonders jetzt gerade, mit unserer jetzigen Politik hier oder überhaupt in der Welt, wird man leider von vielen als erstes als Mensch aus dem Irak befragt. Manchmal nervt es schon, weil ich ja auch ein Mensch und Künstler bin. Ich bin nicht nur die Frau, die aus dem Irak kommt.ˮ (http://www.deutschlandfunk.de/kuenstlerin-rana-matloub-mix-aus-morgenland-und-abendland.807.de.html?dram:article_id=362110)

 

Na ja, vor der Politik kann man die Augen nicht verschließen. Aber manchmal nervt es wirklich, wenn man sich so fühlt, als ob man immer und vor allem über die eigene Herkunft sprechen soll. Das ist auch so in künstlerischen Fragen. Doch die Künstlerin behandelt das Thema "Heimat" aus vielschichtigen Perspektiven und vermeidet Klischees. Darüber hinaus weist die Kuratorin daraufhin, dass die Werke der Künstlerin Rana Matloub weder Verklärung noch Kritik an der einen oder der anderen Kultur sind. Sie deuten dagegen ein Crossover an, das eindeutige kulturelle Zuschreibungen überwinden will.

Einen interessanten Artikel über Ausstellung und Werke der Künstlerin kann man hier lesen

Kuratorin Nicole Giese

Kuratorin und Künstlerin

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Deutscher Lichtkunstpreis 2018 an Brigitte Kowanz

Foto: Alfred Weidinger
Foto: Alfred Weidinger

 

Mit der Auszeichnung ehrt die Robert-Simon-Kunststiftung die international erfolgreiche Wiener Künstlerin für ihr herausragendes Lebenswerk. Brigitte Kowanz ist die dritte Künstlerin, die diesen Preis erhält. Der Deutsche Lichtkunstpreis wird alle zwei Jahre im Kunstmuseum Celle verliehen. Erster Preisträger war 2014 Otto Piene, zweiter Mischa Kuball 2016.

 

 Brigitte Kowanz soll den Deutschen Lichtkunstpreis im Januar 2018 im Rahmen eines Festaktes im Kunstmuseum Celle in Empfang nehmen. Das Kunstmuseum Celle, das erste 24-Stunden-Kunstmuseum der Welt, beherbergt eine der umfangreichsten Museumssammlungen aktueller Lichtkunst in Deutschland.

 

Brigitte Kowanz hat den Bildbegriff durch ihre Lichtkunstwerke erweitert. Ihre Wandarbeiten, Objekte und Rauminstallationen loten die Grenzen zwischen Immaterialität und Materialität aus. Ihre Werke beschäftigen sich mit dem Aspekt von Licht als Informationsträger und mit der Digitalisierung. Digitale Daten werden greifbar gemacht, Zeichen, Codes und Schrift mit dem Medium Licht verknüpft. Aktuell bespielt Brigitte Kowanz gemeinsam mit Erwin Wurm den Österreichischen Pavillon der Kunstbiennale in Venedig.

 

 

Foto - Tobias Pilz_Infinity and  Beyond_Venedig Biennale
Foto - Tobias Pilz_Infinity and Beyond_Venedig Biennale

 

Mit ihrer dortigen Arbeit „Infinity and Beyondˮ gelingt es, den realen Raum und den virtuellen Raum miteinander zu verschmelzen bzw. einen Raum zu erschaffen, der sich dank der zügigen technologischen Entwicklungen weiter vergrößert.

 

Seit 1997 ist Brigitte Kowanz Profes-sorin für Transmediale Kunst an der Universität für angewandte Kunst Wien.

 

 

 

 

 

Mehr: kunst.celle.de/Idee/Deutscher-Lichtkunstpreis-The-German-Award-on-Light-Art

Mehr über die Künstlerin: kowanz.com/de

 

 

 

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In Kooperation mit dem BBK Osnabrück, dem Felix Nussbaum-Haus/Kulturgeschichtliches Museum, der Gesellschaft für zeitgenössische Kunst und der Kunsthalle Osnabrück hat vom 6. Juni bis zum 6. August 2017 in Osnabrück der zweite Çanakkale Art Walk stattgefunden. Dafür konnten 35 künstlerische Positionen der – leider abgesagten – fünften Çanakkale Biennale mit dem Thema „Homeland“ gewonnen werden. 

Eigentlich hätte die fünfte Biennale von Çanakkale Ende 2016 wie auch sonst in der Türkei gezeigt werden sollen. Aber die Schau wurde drei Wochen vor Eröffnung gecancelt, weil die Kuratorin und die Organisatoren unter politischen Druck geraten waren. Allerdings hat Osnabrück Solidarität mit seiner türkischen Partnerstadt bewiesen und der torpedierten Biennale unter dem Titel „Çanakkale Art Walk“ Exil in der Stadt angeboten.

Die 5.Biennale sollte sich mit der hochaktuellen Problematik von Migration und Heimat beschäftigen. Denn was ist Heimat? Ein Ort, wo man sich zuhause und wohl fühlt? Ein Ideal oder Realität? Die Kuratorin der geplanten Schau in der Türkei wollte diese organisieren im Zeichen grenzübergreifender Migrationen, tragischer Folgen von Exil und Flucht als Folgen vor allem der Nationalismen des 20. Jahrhunderts. Nun, im September letzten Jahres, war die Kunstschau selbst Opfer dieser Phänomene geworden.

Umso interessanter war der zweite Çanakkale Art Walk in Osnabrück für mich.

Ich war einen Tag in Osnabrück und hatte die Gelegenheit, die Ausstellungen an zwei Orten zu besuchen, nämlich die Kunsthalle Osnabrück und das Kunst-Quartier des BBK.

 

 

Eines der faszinierenden Werke dabei war für mich "Passports" von der iranischen Künstlerin Soheila Sokhanvari. Die Künstlerin zeigt hier Reisepässe von verschiedenen Leuten aus verschiedenen Ländern und Kontinenten aus verschiedenen Zeiten. In den Händen der Künstlerin wird so ein Reisedokument mehr als nur eine behördliche Formalie und bekommt Leben und Geschichte. Einerseits ein authentisches Dokument, wird es andererseits aber durch Illustrationen oder kuriose Behördenstempel verfremdet wie z.B. dieser südafrikanische Pass aus Zeiten der Apartheid mit einer rassistischen Karikatur unter der Rubrik „Besondere Kennzeichen“.

Hottentot Venus, South African Passport
Hottentot Venus, South African Passport

 

 

Ein anderes bemerkenswertes Werk war ein Videostill von Halil Altindere. Der in Istanbul lebende und arbeitende Künstler ist in der Türkei schon lange bekannt für seine kritischen Arbeiten, die immer wieder Identitäten hinterfragen. Wie zum Beispiel die Installation mit großformatigen Kopien des eigenen Personalausweises, deren Fotos die Normen für derartige Dokumente sprengen.

 

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"Der blinde Fleck" in der Bremer Kunsthalle: Bremen und die Kunst in der Kolonialzeit

5. August 2017 bis 19. November 2017

Mit dieser Ausstellung untersucht erstmals ein deutsches Kunstmuseum seine Geschichte auf die Spuren der Kolonialzeit. Die Kunsthalle Bremen ist in Deutschland das erste Kunstmuseum und in Europa nach der Tate Britain das zweite, das seine Sammlung auf Kolonialgeschichte erforscht.

Den Titel der aktuellen Ausstellung erklärt die Kultur- und Sozialwissenschaftlerin und Kuratorin Julia Binter wie folgt: "Der Begriff 'blinder Fleck' kommt eigentlich aus der Augenheilkunde und benennt jene Stelle unseres Auges, auf der sich keine Lichtrezeptoren befinden und mit der wir somit nicht sehen können. Mein Forschungsprojekt geht den kolonialen Blindstellen in der Sammlung der Kunsthalle nach, die wir aufgrund eingefahrener Wahrnehmungsmuster und unzureichender Sensibilisierung für koloniale Themen nur schwer wahrnehmen können."

"Der blinde Fleck" ist ein mutiges Projekt, das eigene Geschichte kritisch hinterfragt. Es zollt damit unterschiedlichen Geschichten und Perspektiven seine Anerkennung. In der Ausstellung geht es auch um die Komplexität in der Geschichte. So meint Dr. jur. Godefroid Bokolombe, Afrika-Netzwerk Bremen e.V. - einer der Kooperationspartner der Ausstellung, "wenn die Geschichte des Jägers nur vom Jäger und nicht vom Gejagten erzählt wird, erfährt man nie die ganze Geschichte." Das Projekt soll also ein Signal für eine Bewusstseinsbildung zur wenig präsenten deutschen und bremischen Kolonialgeschichte sein.

 

Julia Binter erklärt weiter: " Das Ziel des Forschungsprojektes ist es kolonialen Spuren sichtbar zu machen. Es sollen historische Ordnungssysteme überdacht und außereuropäische Kunst als gleichwertig in die Analyse einbezogen werden. Darüber hinaus wird die der Frage nachgegangen, wie 'andere', 'fremde' Menschen dargestellt wurden und was das über uns und unser Verhältnis zu diesen 'Anderen' aussagt. Denn das Fremde ist ein Konstrukt, das nur im Verhältnis zum Eigenen existiert."

 

Was gibt es in der Ausstellung zu sehen?

 

1.      Die Sammlung japanischer Holzschnitte der Kunsthalle Bremen

Der Großteil davon stammt aus der Edo-Zeit (1603–1868), das heißt der Zeit vor der erzwungenen Öffnung Japans durch die USA im Jahr 1853. Den Grundstock der Sammlung legte Dr. Heinrich Wiegand, Generaldirektor des Norddeutschen Lloyd und Vorsitzer des Kunstvereins, als er 1905/06 eine Reise nach Japan finanzierte.

 

Dabei kann man auch entdecken, dass nicht nur europäische Künstler durch die Entdeckung der Kunstszene Japans inspiriert wurden, sondern auch Künstler in Japan zum Beispiel vom europäischen Impressionismus beeinflusst waren. 

          

2 .Künstler der Moderne und ihre Faszination mit Kunst aus Afrika und Ozeanien

 

Künstler in Deutschland wie August Macke (1887-1914), Paula Modersohn-Becker (1876–1907), Max Pechstein (1881–1955) und Karl Schmidt-Rottluff (1884–1976) haben sich durch neue Ausdruckformen und Ideen aus Afrika und Ozeanien inspirieren gelassen. Dies aber häufig in einer Manier, die stark von Exotik und Primitivität geprägt war, so dass manche ihrer Werke durchaus nicht von ethnozentrischen Vorbehalten frei waren.

 

3. Begegnungen mit dem Fremden in der Kunst und Der Blick zurück zu den Kolonialzeiten -Gemälde von Amrita Sher-Gil und Re-take of Amrika von Vivan Sundaram

Das Projekt Re-take of Amrita von Vivan Sundaram, das in der aktuellen Ausstellung gezeigt wird, hat auf mich einen besonderen Eindruck gemacht. Die Werkreihe besteht aus einer Serie von digitalen Fotomontagen in Schwarz-Weiß und basiert auf Fotografien von Sundarams Großvater. In seine Arbeit bindet der Künstler auch eigene Familienfotos sowie Alltagsgegenstände und Gemälde seiner Tante, der Malerin Amrita Sher-Gil, mit ein.

 

Amrita Sher-Gil war eine indisch-ungarische Künstlerin. Sie rückte Frauen ins Zentrum ihrer Arbeiten und hinterfragte stereotype Eigen- und Fremdwahrnehmungen. Als eine Frau, die zwischen der westlichen und östlichen Welt gereist war, war sie sich selbst dieser stereotypen Wahrnehmungen bewusst. Sie präsentierte mit "Women of Colour" nicht als erotische und exotische Figuren, sondern als selbstbewusste Individuen. Diese Aktion war zugleich auch eine klare Positionierung gegen die männlich dominierte Kunstszene. Aber diese Werke zeigen m.E. auch eine sehr private, persönliche Seite: die der Begegnung der Künstlerin Amrita Sher-Gil mit sich selbst: ihrer Persönlichkeit, ihrer Realität, ihrer orientalischen Herkunft und natürlich ihrer Familie.

Title: Sisters with ‘Two Girls’  Artist: Vivan Sundaram  Culture/Country: India  Period: 2001(Amrita, Simla, 1937; Indira, Simla, early 1940s; Two Girls, detail, 1939, by Amrita Sher-Gil.)  Dimensions: 15 x 12.2 in.
Title: Sisters with ‘Two Girls’ Artist: Vivan Sundaram Culture/Country: India Period: 2001(Amrita, Simla, 1937; Indira, Simla, early 1940s; Two Girls, detail, 1939, by Amrita Sher-Gil.) Dimensions: 15 x 12.2 in.

Auch das greift Sundaram in seiner Arbeit auf und verhält sich damit kritisch gegenüber alten Formen von Rassismus in der europäischen Kunst. Der Künstler hat es geschafft, anknüpfend an die künstlerischen Persönlichkeiten der eigenen Familie, neue Erzählformen für Familiengeschichte zu finden und die traditionelle Wahrnehmung von Zeit und Identität in Frage zu stellen. 

Title: 12–13. Preening  Artist: Vivan Sundaram  Culture/Country: India  Period: 2001(Marie Antoinette, Lahore, 1912; Umrao Singh, 1904.)  Dimensions: 15 x 21 in.
Title: 12–13. Preening Artist: Vivan Sundaram Culture/Country: India Period: 2001(Marie Antoinette, Lahore, 1912; Umrao Singh, 1904.) Dimensions: 15 x 21 in.