Kunst- und kunsthandwerkliche Produkte sind, wenn marktorientiert, in das Netz von Konsum, Kommerz ebenso eingebunden wie in Fragen von Kreativität, Ästhetik und Kitsch.
Deshalb kann die Promotion dafür - hier vor allem in Form von Videos - mitunter ästhetisch und sogar ethisch anspruchsvoll sein, muss es aber nicht. Einiges dazu kann man hier pro und contra finden.
Es geht ja in der Werbung schon lange nicht mehr um plumpe Produktpropaganda, die es natürlich immer noch gibt. Für bestimmte Spitzenprodukte spielt nicht so sehr die Reklame von Namen, Logo und dem Verkaufsobjekt eine Rolle, sondern was damit sinnlich, emotional, begrifflich angeregt werden kann und sollte. Und welche weiteren Erwartungen hinsichtlich des Materials, seiner Herkunft und Herstellung - zumindest als Versprechen - abgedeckt werden sollen.
Hier nun eine recht bunte Mischung, die mitunter weniger kommerziell orientiert ist als eher spielerisch, gesellschaftlich offen und gewaltfrei.
Als Iris van Herpen für ihre Retrospektive Sculpting the Senses im Musée des Arts Décoratifs aus 16 Jahren eine Selektion ihrer Mode-Kunst zusammenstellte, wurde ihr klar, dass sie noch eine andere kreative Ambition besaß:
„Ich konnte zwar den interdisziplinären Ansatz in meiner gesamten Arbeit erkennen, aber es fehlte etwas, das schon immer ein Teil von mir war: meine Liebe zur Bildhauerei und zur Malerei“, meinte die Modeschöpferin, bekannt für ihre klassische Tanzausbildung sowie in der bildenden Kunst aufgewachsen zu sein.
Am 24. Juni 2024, während der Pariser Fashion Week, präsentierte van Herpen ihre unverkennbare Kreation zusammen mit ihren ersten Luftskulpturen und läutet damit eine neue Ära der visuellen Kunst ein:
„Seit langem arbeite ich daran, die Wahrnehmung der Menschen zu erweitern und zu erkennen, wie Mode und Kunst eine Symbiose bilden können. Dies ist der natürliche nächste Schritt für mich, um wirklich zu zeigen, was ich meine“, betont sie und vergleicht ihr Verfahren des Drapierens direkt am Mannequin mit der Bildhauerei. „Auch wenn wir die eine Praxis 'Haute Couture' und die andere 'Kunst' nennen, ist es für mich ein einziges Universum.“
( https://www.irisvanherpen.com/collections/hybrid-show/behind-the-scenes-11)
"Wann tragen das endlich auch mal Männer?"
Lars Eidinger und die künstlerisch wertvolle ALDI-Tüten-Ledertasche
Schauspieler Lars Eidinger hat eine Tasche designt, die aussieht wie die Aldi-Tüte von Günter Fruhtrunk, die aber 550 Euro kostet. Ist das jetzt eine gelungene Hommage oder ein elitärer Quatsch?
fragt Judith Brachem in MONOPOL vom 18.1.20 (https://www.monopol-magazin.de/lars-eidinger-aldi?slide=3).
In diesem Zusammenhang erfährt man - durchaus überraschend, dass das ursprüngliche ALDI-Design künstlerischen Ursprungs ist, nämlich auf das Werk "Progression Etude 1" des abstrakten Malers und Kunstprofessors Günter Fruhtrunk aus den 60/70ern zurückgeht:
Was passiert aber, wenn diese Tüte im Originaldesign nun in einer auf 250 Exemplare limitierten Version aus Leder unter dem Siglum LE 1 erscheint?
Nicht mehr und nicht weniger als eine Art intermedialen Upcyclings, das auf den Fotos von Benjakon durchaus in einer neuen Qualität gegenüber dem Massenartikel Plastikbeutel aufscheint. Und ganz Unrecht hat Eidinger nicht, wenn er in diesem Zusammenhang die Frage nach der "Ästhetik des Alltags" aufwirft.
An diesem Objekt allein ließe sich keine ernsthafte ästhetische Debatte aufhängen, denn der Medienwechsel in den Künsten (auch in der Produktion von Kitsch, Jeff Koons docet) ist nun eigentlich nichts wirklich Neues.
Und diese Präsentation des neuen Modells entspricht eher der aus den Medien und seinem Instagram-Account bereits bekannten performativen Bizzarerie des Schauspielers, der sich ja nicht auf diese Kunstform beschränkt. Und oft statt eines glamourösen Ambientes sich eher einer Ästhetik des Hässlichen bedient, was ja nicht unbedingt weniger werbewirksam sein muss.
Der "Shitstorm wegen Pose vor Obdachlosen-Schlafplatz" (https://www.deutschlandfunkkultur.de/550-euro-aldi-tasche-von-lars-eidinger-shitstorm-wegen-pose.2156.de.html?dram:article_id=468340) wurde ausgelöst durch das Foto rechts.
Die Optionen hinsichtlich Produkt, Design und kommerziellem Aspekt sind eine Sache. Vielleicht bleiben hier vor allem Fragen offen nach eventueller Verletzung von Persönlichkeitsrechten, doch sind hier allerdings identifizierbare Obdachlose nicht auszumachen. Eine andere Frage betrifft Lars Eidingers Erklärung "Ich sehe mich in diesen Bildern selbst". Wie ist sie zu verstehen? Rein deskriptiv oder eher sozialkritisch, ethisch oder ästhetisch? Und kann solch Foto das überhaupt?
Das ZEITmagazin N°4/2018 präsentiert zur Berliner Fashion Week einen Kurzfilm
und Fotos von Jonas Lindstroem (Kamera: Nicolai Niermann), Titel: „ES WAR GUT ABER DAS IST BESSER“. Ein Modefilm, auch wenn das nicht gleich auffällt. Die einzelnen Marken sind penibel im Journal
aufgeführt. Der Film beschäftige sich „mit der Lebens- und Erlebenswelt junger Menschen unter 30“ und mit „Mode als Massenphänomen“.
Und die ästhetische Frage: Kunstfilm und/oder Modefilm?! Oder die gelungene
Synthese?
In Revision etablierter kapitalismus- und konsumkritischer Perspektiven beschäftigen sich die Beiträge des Bandes mit der ästhetischen Stimulation, die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts von der modernen Warenwelt und dem Massenkonsum ausgeht. Zur Debatte stehen dabei der künstlerische Wert von Werbekampagnen, Lichtreklamen, Schaufensterauslagen oder Kaufhausarchitekturen ebenso wie die vielgestaltige Rhetorik des Markendiskurses und die literarische und bildkünstlerische Anverwandlung dieser Phänomene. Ergründet wird die eigentümliche Ambivalenz aus Abgestoßensein und Faszination, mit der nicht nur Individuen auf die allgegenwärtigen Verführungsangebote der Warenwelt reagieren, sondern mit der auch die Kunst in Moderne und Postmoderne die lebensweltliche Dominanz der Warenflut zu verarbeiten sucht - so der Verlag. Leseprobe: Klicken bitte.