In den Arbeiten von George Baylouni (*1966 Aleppo ) verweist das Bild nicht allein auf das dargestellte Sujet. Vielmehr scheinen in seinen Papierarbeiten und Gemälden transformierte Fragmente vergangener Kultu ren auf. Es sind Zeichen und Symbole, die von der sumerischen über die griechisch-römische Kunst, die frühchristliche Ikonenmalerei und die islamische Ornamentik mit ihren Schriftzeichen bis hin zur zeitge nössischen Zeichnung reichen und in besonderer Weise in einer von ihm geschaffenen Materialität sicht bar werden. Inspiriert von seiner Heimat Syrien, bildet das große Thema der menschlichen Zivilisation das Zentrum seines Schaffens. George Baylouni entschied sich, als Malgrund eine dick gespachtelte Masse aus Farbe und Leim zu verwenden. Ihr Duktus erinnert an die alten Mauern und Fassaden der alten Häuser Aleppos, überzogen von den Spuren der Zeit, palimpsesthaft überschrieben mit Zeichen und Ritzungen, Schicht um Schicht, Zeit um Zeit. Südlich der Loire, etwas außerhalb von Tours in dem kleinen Örtchen Mettray hat George Baylouni seit 2014 sein Atelier.
Als George Baylouni 2014 Aleppo und gleichsam sein Heimatland Syrien verlassen hatte, entstanden gleich nach seiner Ankunft erste Bilder auf europäischem Boden. In seinem Gepäck hatte er all jene Zeugnisse der Zivilisationen des Nahen Ostens und ihre Symbole bewahrt, die von der Antike bis in die Gegenwart hinein reichen. Diese Fragmente und Zeichen vergangener Jahrtausende zeichnet er nieder. Er klebt und überklebt, malt und übermalt die Bilder, die ihm zu Archiven menschlicher Erkenntnisse werden.
Neben dem Menschen spielt der Baum als Baum des Lebens immer wieder eine besondere Rolle, in all seinen Spielarten und aus unterschiedlichen Kontexten kommend. Der Mensch mit ausgebreiteten Armen erscheint in George Baylounis Werken in vielen Varietäten. Er nimmt sowohl Bezug auf prähistorische Höhlenmalereien, mit einer Kontur aus Punkten umzeichnet, als auch auf den vitruvianischen Menschen in der Zeichnung Leonardo da Vincis, eingezeichnet in Quadrat und Kreis. Aber auch das Christusbild des Pantokrators oder aus der Deesis byzantinischer Ikonen sowie Darstellungen der Mutter Gottes mit und ohne Kind sind wichtige Verweise auf Baylounis kulturelle Wurzeln. Seine Bildkompositionen greifen dabei die Tradition der Aufteilung in Bildfelder in der Ikonenmalerei auf, die gleichsam den Beginn der europäischen Tafelmalerei darstellt.
Die Titel seiner Gemälde wie Kodex des Hammurabi, Mysterien von Babylon, Worte, Amulette verweisen auf die Rätsel der Welt, die sich über Symbole und Talisman im kollektiven Gedächtnis der Völker überliefert haben. Baylounis Bilder werden selbst zu Amuletten, denen magische Kräfte innewohnen und aus der Kraft des Schöpferischen gleichsam Glück bringen mögen.
Im Dialog mit George Baylouni entstand - so die Kuratorin Frizzi Krella - eine Ausstellung, zum Lesen und Schauen eines unendlichen Zeichen- und Bilderkosmos‘. Ein Universum der Ursprünge und der Entwicklungen der gesamten menschlichen Zivilisation, zum Sich-Vertiefen in eine gemeinsame Bildsprache der Vergangenheit, um eine gemeinsame Gegenwart und Zukunft denken zu können.
Bild+Text: Presseerklärung
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