Abdullah Murad
Die Poesie der Linie
„Mit leichter Hand“ setzt der syrische Maler Abdullah Murad (1944, Homs) „den Tuschpinsel aufs Papier und zieht eine erste Linie, eine erste Spur. Ganz aus der Bewegung des Körpers heraus fügen sich die Linien zu Figurationen und schaffen komplexe Kompositionen. Arabesken und Lineamente wachsen zu einem vereinten Kosmos zusammen. Dazwischen fließen die wässrigen Blautöne von Hell nach Dunkel, sie öffnen den Raum in die Unendlichkeit“, so die Kuratorin Frizzi Krella in ihrer Einführung zur Ausstellung im Bremer Haus der syrischen Kunst, die dieser Tage mit einer Finissage ihrem Ende entgegensieht. Nicht nur übersetzt sie damit in Worte, was uns das kleine Video visuell anbietet:
Die im Titel der Einzelausstellung Die Poesie der Linie angedeutete leise Leichtigkeit der schöpferischen Hand des Künstlers aus einem unter kriegführenden einheimischen wie ausländischen Mächten leidenden Land weist zugleich auch auf einen anderen Zustand menschlicher Existenz. Und der gerät gerade wieder einmal unter dem Donner von Bomben und dem Gedröhn der Politik-Talks fast in Vergessenheit.
Wo weltweit wie hier bei uns Hass, Wut und Angst in einem Überbietungswettbewerb geschürt werden und so alles Fremde und die Fremden möglichst weit weg und egal wohin abgeschoben werden sollen – da verkommt die Würde des Menschen zur hohlen Phrase als Wort und Wert einer Vergangenheit, die doch die ewig Gestrigen lautstark und brutal so inniglich beschwören.
Abdullah Murad,,o.T., (2018-2024)
Und gerade da wird das Beschwörende der Kunst als Ausdruck des Lebens umso bedeutsamer, wenn uns Abdullah Murad in Wort und Tat vorführt, dass sie sich in ihrem Anfang als Linie „aus dem menschlichen Körper, aus der Bewegung des Körpers“ entfaltet oder wie der Künstler an anderer Stelle bemerkt: „Die erste Geste kommt aus dem Herzen“.
Verschiedentlich wird in dem Interview, das die Kuratorin mit dem Künstler im Frühjahr des Jahres führte und im Katalog nachzulesen ist, von Murad sein eigenes kulturelles Verhältnis zu Orient und Okzident mit einem irgendwo Dazwischen verortet und damit seine ästhetische Offenheit und Aufgeschlossenheit betont.
Besonders beeindruckt hat mich dabei seine Haltung zu den Skizzen seiner Tagebücher, wenn er diese kleinen Zeichnungen für „wichtiger als die großen Bilder, kostbarer als die Gemälde“ bewertet, was an Theorie und Praxis des Fragments bei Michelangelo wie auch der Dichter der deutschen Frühromantik erinnert.
September 2024 Paul Kroker
Abdullah Murad
Die Poesie der Linie
Arbeiten auf Papier
Herausgeber: Takla Stiftung, 2024
Mit einem Interview und einem Text
von Frizzi Krella
ISBN: 978-3-00-070771-6
HAUS DER SYRISCHEN KUNST
Wachtstr. 27-29 D-28195 Bremen
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