Mutterland, Kiew (2023)
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Gemälde von Nazanin Pouyandeh
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Danse Macabre

 

Der Totentanz der Dakh Daughters

 

 

 

 

 

Der ukrainische Regisseur Vlad Troistkyi hat sich des Unentbehrlichen und  Unmöglichen angenommen, so stand es im Juni letzten Jahres auf der Web eines französischen Portals. Zusammen mit der Frauenband Dakh Daughters schafft er in der Tat ein Stück des Widerstands, sozusagen ein Stück von der und für die Front und nicht nur, um Zeugnis abzulegen von dem grausamen Krieg auf seiner neuen Eskalationsstufe nach dem letzten 24. Februar.

Bevor ein Bombenalarm auf der Bühne die Show unterbricht - vor diesem penetranten Sirenengetöse lässt sich erstmal alles wie ein normales Konzert der sechs Frauen an, lebhafte, mitreißende, satirische Rockmusik, ein bisschen à la Nina Hagen, schrieben die Franzosen damals und sie haben recht.  Da haben wir aber schon das berühmte Lied Donbass-Rosen gehört aus der Maidan-Revolution. Und immer wieder zu hämmerndem Punkrock die Strophe von Shakespeare aus dem Sonett 35, hier in der Übersetzung von Wolfgang Riedmann*: 

 

 Was du getan hast, ist nicht ärgerlich:

Die Rose sticht und Schlamm verschmutzt den Quell,

zu oft verfinstern Mond und Sonne sich,

und selbst die schönsten Blüten welken schnell.

 

*https://lyricstranslate.com/de/sonnet-35-sonett-35.html

 

Neben Anleihen aus der angloamerikanischen auch immer wieder aus der ukrainischen Literatur - dieses "Freak-Kabarett", als das sie sich selbst bezeichnen, mixt hoch intelligent und poetisch Literatur wie Sprachen und Musikgenres. Mit hohen, leisen, zarten Stimmen, die sich fast im selben Moment zum rauen Schrei aufbäumen können.

 

Und wir erinnern uns: nach der Entscheidung der ukrainischen Regierung im November 2013, kein Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union zu unterzeichnen stattdessen aber eins mit Russland, bricht eine Protestbewegung im Land aus, die in die "Revolution der Würde", auch Euromaidan genannt, mündet. Das Lied für die Donbass-Rosen wurde zur Hymne im Land.  

 

Mit zunächst weiß geschminktem Gesicht, roten Lippen und schwarzen Augenbrauen ziehen die Dakh Daughters ihre Show auf, sie spielen, singen, tanzen. So haben wir sie schon bei einem TV-Auftritt in den USA kennen gelernt. Sie haben zusammen mit dem Regisseur Vlad Troitsky einen wichtigen Entschluss gefasst, sie haben ihr Land verlassen und damit auch ihre Familien, Freunde und Verwandten und sich für den Einsatz an der weltweiten Kulturfront entschieden. Sie sind zwar auf der Flucht wie Millionen andere, haben aber letztes Jahr in Frankreich ein Refugium beim Nationaltheater der Normandie-Vire gefunden. Dort kreierten sie ihren Totentanz als Theater- und Musikstück, das von ihrer Entwurzelung, ihrer Unruhe und den Leiden, die sie jeden Tag durch den Krieg erfahren, zeugt, aber auch von dem Bedürfnis, gemeinsam gegen diesen verbrecherischen Krieg Front zu machen. Anhand von Zeugenaussagen erzählen uns die sechs ukrainischen Schauspielerinnen und Sängerinnen schreckliche und ergreifende Geschichten, berichten von Schmerz und Scham. Das verändert alles auch auf der Bühne, die Realität lässt sich von der theatralischen Fiktion nicht mehr verdrängen; die Gesichter schnell abgeschminkt, blickt man ihr ungeschminkt ins Auge.

Doch das ist kein Verzicht auf Poesie und Schönheit, und das beweist schon die Tatsache, dass sich die Basiserzählung am alttestamentarischen Buch Hiob orientiert, weithin wegen seiner literarischen Qualitäten gerühmt.

 

Kulturell Front machen bedeutet hier, nie aufzuhören zu kreieren, nie zu schweigen, sondern zu erzählen und immer wieder zu erzählen. Front machen heißt auch, von Versöhnung und Liebe zu sprechen. Das Stück, das vor Emotionen überquillt, ist von seltener visueller und natürlich auch akustischer Schönheit. Und wer sie live erlebt auf der Bühne, im Saal, fühlt, dass es da noch etwas anderes gibt, schwer, gar unmöglich zu beschreiben und das ist ihre vitale Energie, der Wunsch nach Leben, dem Tanz des Lebens, das sich einfach nicht ausmerzen lässt.

 

 

 

DANSE MACABRE-

ein Auftritt von Dakh Daughters und Vlad Troitsky | LIVE

Live übertragen am 29.06.2022 Ganzfassung in ukrainisch m. frz. OT

Videotext

Wie kann man Widerstand leisten, wenn ein Krieg ausbricht? Sechs ukrainische Schauspielerinnen und Sängerinnen erzählen in DANSE MACABRE durch ihre eigenen Aussagen und die von gewöhnlichen Frauen ergreifende Geschichten über den intimen Schmerz, den das tägliche Erleben des Konflikts mit sich bringt, und darüber, wie er ihre Einstellung zum Leben und zur Familie verändert hat. 

Indem sie ihre neuen musikalischen Kompositionen mit diesen Geschichten vermischen, zeigen die Dakh Daughters und der Regisseur Vlad Troitsky auf eindringliche Weise das Grauen und die Brutalität des sich ausbreitenden Konflikts in der Ukraine. 

#DanseMacabre #Kulturen #DakhDaughters

 

 

 

Danse Macabre

 

Danse Macabre (1875 uraufgeführt) ist der Name des Opus 40 des französischen Komponisten Camille Saint-Saëns. 

Die Komposition basiert auf einem Gedicht von Henri Cazalis, das sich auf einen alten französischen Aberglauben bezieht (s.u.)

 

 

Danse Macabre von Henri Cazalis

Übersetzung: Bertram Kottmann

https://lyricstranslate.com/de/danse-macabre-totentanz.html-0

 Strophen 1 und 7

© Bertram Kottmann

Text vergrößern per Klick

Mehr zu Dakh Daughters bei KUNO
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