In der Pandemie, als es auch in vielen Kulturbranchen existenziell krachte, lasen wir dies dank eines ZEIT-Artikels von Peter Kümmel (weiter unten) auch von der Familie Flöz und berichteten erstmalig über diese wundervolle Theaterinitiative.
Das drohende Aus konnte dankenswerterweise gestoppt werden, ob und inwiefern auch im Kopf der Berliner Theatermacher:innen, wissen wir nicht. Auch nicht, ob diese ihre letzte Produktion (2022) von Anfang und Ende einer fünfköpfigen Familie - auf der medial bis zur Belanglosigkeit durchgespielten "Achterbahn des Lebens" (Stück-Info) - vor allem in ihren poetischen Passagen davon berührt wird.
Sie widmen sich ja in eben dieser "Info" auf ihrer Web (Klick unten aufs letzte Foto) sowohl den "Geschichten vom Anfang von Allem" und werfen dann die Frage auf: " Wie endet das Ganze?" Genau dort, beim A & O eben, gelingen im Stück die eindrucksvollsten Momente und scheinen große Bilder auf, wie unsere Stills aus dem Trailer ganz gut zu zeigen vermögen. Wie auch, was dieses Stück einzigartig macht: die Demaskierung ihrer ur-theatralischen Maskerade und Pantomime, deren Erzählung ganz auf Körpersprache, Tanz und Akrobatik abstellt, doch dazu Ton und Klang bedarf, auch Gesang, selbst wenn in schwer auszumachendem sprachspielerischem Grammelot vorgetragen.
Gewöhnlich bleibt die Herkunft dieser Lautquellen im Dunkeln. Als Theaterdonner eben.
Die mittlerweile in mehr als 25 Jahren auf ihren Tourneen in ganz Europa berühmte Familie Flöz öffnet nun erklärtermaßen ihren " Werkzeugkasten und zeigt neben den bekannten Maskenfiguren auch die Akteure dahinter. Ob musizierend, singend, filmend, sprechend oder Geräusche machend, erschafft das Ensemble die Welt der Masken vor den Augen der Zuschauer. Wechselnd leiht sie den Figuren ihre Körper und die nehmen ihr Schicksal in ihre Hand. Schöpfer und Schöpfung begegnen sich..."
Der eigene Hokuspokus wird so als Zauberformel und -kunststück enttarnt. Das Theater im eigenen Kunstraum als solches bloßzustellen, ist zwar für die Gattung nicht neu, zeigt hier aber beim pantomimischen Maskenspiel geradezu innovative Wirkung. Auch auf das Publikum.
Bilder vom "Anfang von Allem"
Ausschnitte von der Home von FF und Videostills vom offiziellen Trailer dokumentieren nachdrücklich die poetische Ausdruckskraft beim Entdecken von Welt, des anderen Menschen und von sich selbst.
Dazu tritt hier im letzten vierten Still die unmaskierte Sängerin mit ihrer eindringlichen wie rätselhaften Kantilene und eröffnet das Zusammenspiel zwischen den beiden Pantomimen anfangs, deren Zahl später auf fünf klettert, und den anderen offen sichtbaren Bühnenfiguren und -elementen.
Blick in den "Werkzeugkasten" der Flöz
Erstaunlich wie befremdlich diese Gesichtsmasken des Familienquintetts mit ihrer eigentlich identischen, starren Physiognomie, die sich dank der Ausdruckskunst ihrer Darsteller:innen, von Frisur, Kostüm und Accessoires
jeder Gemütslage und jedem Alter anzupassen scheinen. Der Zustand des Verfremdungseffekts bleibt jedoch durchgehend erhalten.
Das aber ist ja noch nicht der neue Blick, den das Theaterensemble verspricht. Ihm geht es ja um den Blick hinter die Kulissen, die sich jetzt gleichberechtigt links und rechts des Zentrums logistisch wie in der Aktion anordnen und häufig, auch nur mit kleinen Handreichungen, in die Abläufe eingreifen. Augenfällige Beispiele für konkretes Theater-Machen.
Viele Videoprojektionen werden von hinter dem Parkett aus gesteuert, einige Großaufnahmen direkt live auf der Bühne gedreht. Auch jeder Laut, die gesamte Musik- und Geräuschkulisse, ist in ihrer Entstehung vom Publikum zu verfolgen. Sowie ebenfalls in einer Szene der Vorgang einer Kulissenzeichnung, live per Video auf die Bühne projiziert. Oder dass in einer anderen Sequenz fünf der insgesamt sechs Mitwirkenden für Klang und Gesang zuständig sind.
Der Schlussapplaus dankt ihnen ihr aufwändiges Engagement.
"Wie endet das Ganze?"
In der anregenden Rezension von nachtkritik.de zur Berliner Uraufführung 2022, heißt es fast gleich zu Anfang, wenn die Rezensentin den blonden Bruder des Geschwistertrios charakterisiert:
"Etwas Verlorenes umweht ihn, ein unsichtbarer Faden verbindet ihn mit der Dunkelheit. So clownesk er aussieht, da schlägt eine ungute, viel zu reife Ahnung in seiner Brust. Und als die Kamera eine Nahaufnahme seines Gesichtes filmt, wir die Projektion auf der Leinwand sehen, groß, das Bild sich schwarz-weiß färbt, die Konturen langsam verwischen, während über dem Kopf Äste und Blätter zu wuchern beginnen – da ist klar: Das endet schlimm."
Hier wird ein Grundton angeschlagen, der sich einer bloß oberflächlichen Wahrnehmung des vermeintlich rein Komödiantischen entzieht, das in der zweiten Hamburger Aufführung anfangs so reichlich beklatscht wird.
Das Ende des Stücks, das in gewisser Weise schon in die Nachthemden des Paares zu Beginn mit eingewebt zu sein scheint, ist dann auch ihr Lebensende und wird in einfühlsam beredten, blau getönten Bildern vorgeführt.
PS:
Als theaterlandschaftliches Postscriptum soll hier noch erwähnt sein, dass unter den zehn zum Berliner Theatertreffen 2023 eingeladenen Stücken auch Die Eingeborenen von Maria Blut (Burgtheater Wien) aufspielten. Die Inszenierung über den Vorabend des Nationalsozialismus im Nachbarland zwischen Marienkult, Wunderglauben und Verschwörungsmythen bediente sich wohlweislich in mehreren Szenen ebenfalls einer Gruppe von Masken- darsteller:innen (Trailer s.u.).
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