Soweit die Pressemitteilung der Kunsthalle Bremen Ende Mai.
Und sie haben recht die Kurator*innen und noch mehr als das. Denn es handelt sich tatsächlich um eine "Neukonzeption der Dauerausstellung". Das ist vielversprechend, könnte sogar der Anfang einer zeitgerechten musealen Wende sein, wenn dank Dialektik Permanenz und Innovation sich nicht ausschließen. Wie sich das Team der Kurator*innen ja auch verstehen lässt mit dem Slogan "Die Sammlung neu sehen" – nach fast zehn Jahren einer im Wesentlichen unveränderten Dauerausstellung. Gern erinnern wir uns, dass die auch mal durch zeitgenössische Werke ergänzt wurde, wie durch die Arbeiten des USamerikanischen Videokünstlers Bill Viola!
In der aktuellen Inszenierung der Bremer Kunsthalle wird das geradezu Programm mit den neuen Themenräumen, die ganz grundsätzlich das Museum öffnen und mehr Bewegungsfreiheit, Spielraum und Luft herein- und sich so immer auf den Stand der Zeit bringen können.
Nicht um platte Aktualisierung geht es da, wie auch die Themenräume zum 17. und 19. Jahrhundert zeigen, wo nun ein Kontrastprogramm aufgerufen wird zum Beispiel zu den Seestücken und Stillleben - künstlerisch immer auch als Apologien des Kolonialismus zu sehen. Damals eher eine Randnotiz dadurch aber nicht weniger explizit: die kleine drastische Radierung von William Blake (1796), die einen erhängten Sklaven in Niederländisch-Guayana zeigt. Erste Ansätze auch aus der Jetztzeit, dann aber beeindruckend in der Form einer schwebenden Schaluppe von Hew Locke (Cui Bono, 2017). Es ist eben diese Akzentsetzung, die es heute in Ausstellungen wie in Bremens Kunsthalle mindestens braucht (Raum 5 „Globaler Handel“). Damit stehen museale Einrichtungen erst am Anfang und werden sich gegenüber traditionsgebundenen Ausgrenzungen weiter öffnen müssen.
Ganz im Sinne des Massensymbols für deutsche Sehnsuchtsfantasien, das Elias Canetti im Wald ausgemacht hat, ist der Saal 20 dem Wald als Märchenwald, als Kulturgeschichte und Lebensgrundlage, als Erlebnis und Denkmal auch des Waldsterbens in den ausgestellten Kunstwerken gewidmet. Hier bei uns in Form einer durchaus sehnsuchtsvollen Malerei von Henri Biva und seinem Teich im Wald (1657):
Darüber hinaus wird diese Gesamtschau auch interessant durch die Öffnung des Depots, durch Neubewertungen sowie Neuerwerbungen wie die Auftragsarbeit von Franz Ackermann (2020) und deren chromatisch faszinierende Gestaltung eines gesamten Kabinetts: Ein spannender, auch erholsamer Bruch inmitten von so vielem Barock links und rechts:
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Die verstärkte Hinwendung zu moderner und zeitgenössischer Kunst eröffnet die Schau mit dem sich so prachtvoll wie nie präsentierenden Ersten Saal von Sarah Morris:
Überhaupt die Säle! Sie verlocken zum aus- wie abschweifenden Flanieren wie schon bei der vorangegangen Schau der Ikonen. Damals mit nur einem Werk, einer Werkgruppe pro Saal. Hier sollen es etwas mehr, rund 500 Werke sein. Aber so anmutig platziert, dass man vorbeispaziert und wieder zurück, hier ein Gemälde im Ganzen, dort Details einer Zeichnung einer genaueren Betrachtung unterzieht.
Die Gesamtgestaltung der Ausstellung in ihrer so unterschiedlichen chromatischen Ausstattung wie auch die Werkauswahl nach Epochen und Stilrichtungen ist für sich ein visuelles Ereignis, das Museum zum Erlebnis macht.
Zu einem Ort des Flanierens in der Aura der Kunst wie bei den Ikonen. Hier dazu einige Bilder erst aus dem Pressematerial: Kehinde Wiley (2019), Richard Mosse (2019), Ernst Barlach (1908), Friedrich Böhme (1924), Ernst Ludwig Kirchner (1925) , Max Klinger (1913-16) und August Macke (1912):
Zum Abschluss einige Werke gern auch nach eigenem Geschmack, wir alle haben unsere Vorlieben, die wir hier mal und dort auch immer wieder im Museum antreffen möchten. Von Paula Modersohn-Becker (1897-98), Antoni Tàpies (1967), Daniel Knorr (2015), Günther Uecker (1964), Gustav Corbet (1869), Jules Pascin (1922-27), Katharina Sieverding (1992), Max Slevogt (1901) und schließlich nochmal Paula Modersohn-Becker (1900):
kuratiert von Paul Kroker
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